Selbst Erlebtes und selbst Erdachtes

Als Autor wird man immer wieder mal gefragt, ob man nur über Dinge schreibt, die man selbst erlebt hat. Wenn man das Genre betrachtet, in dem ich schreibe, ergibt sich die Antwort von selbst. Fantasy ist und bleibt wie der Name schon sagt nur Fiktion. Mir sind jedenfalls bisher keine blutsaugende Vampire oder Wasserwesen begegnet.

Doch auch Fantasy-Autoren verpacken Ereignisse, die sie verarbeiten wollen in Büchern. Aber auch von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, mache ich da keine Ausnahme. Meine Bücher sind frei erfunden. Wenn ich über mein Leben und Ereignisse daraus schreiben würde, würde ich euch langweilen, denn so aufregend ist mein Leben nicht. Ich lege auch großen Wert darauf, dass meine Protas eigenständige Persönlichkeiten sind, sie mich nicht an mich selbst oder ander Personen, die ich kenne, erinnern.

Ein Grund, warum ich mein Genre lese, ist einfach, dass man alle Freiheiten hat. Wenn ich heute beschließe, dass die Welt untergeht, kann ich das tun; wenn ich der Ansicht bin, dass es an der Zeit ist, dass sich meine Protagonisten Aliens stellen, werde ich diese landen lassen; wenn ich denke, dass die Magnetanziehung sich durch eine Explosion verändert, dann werde ich das als Schöpfer meiner Welt möglich machen. Gerade das ist es, was ich an Fantasy am meisten liebe. Gerade das ist doch das schöne an diesem Genre. Es ist alles ein wenig schöner. Ich selbst führe eine sehr harmonische und glücklich Ehe. Würde ich diese als Grundlage für ein Paar hernehmen, würden sich die Leser langweilen. Die Dialoge müssen brisanter sein, die Beschreibungen intensiver, der Sex gigantischer und die Beziehungen der Protas zueinander spannungsgeladener. Erst dann wird es interessant.

Ein weiterer großer Bereich, in dem ich mich eindenke, ohne es jemals erlebt zu haben, ist beispielsweise der Verlust des geliebten Partners oder der Eltern. Das ist etwas, was ich – Gott sei Dank – noch nicht erleben musste. Auch wie es ist, sich in einem Vampir zu verwandeln, habe ich am eigenen Leib noch nie erlebt und werde es auch nicht. Wie fühlt es sich an, aus einem Helikopter zu springen. Da ich selbst furchtbare Höhenangst habe und mit Sicherheit das niemals ausprobieren werde, bin ich auch da auf meine Vorstellungskraft angewiesen.

Und dann gibt es noch ein paar Dinge, die ich von mir selbst kenne. Wie es sich anfühlt, sich mit jemanden zu streiten, von der besten Freundin enttäuscht zu sein. Ich kann mich auch sehr gut daran erinnern, wie ich vor einigen Jahren mit einigen Dioptrien zu viel eine Brille bekommen habe, und wie schrecklich das damals war, als die ganze Welt überdimensional scharf war und sich immer bewegte. Das sind natürlich Dinge, wo ich von meinen Erfahrungen profitieren kann und wo es mir leichter fällt, mich hineinzudenken und es mitreißend auszuformulieren.

 

Zum Abschluss noch ein paar Gedanken dazu. Einige Menschen vertreten die Ansicht, dass man nur dann richtig gut schreiben kann, wenn man es selbst erlebt hat. Wunderbar widerlegt das Karl May. Wer seine Bücher gelesen hat, ist von der detaillierten Landschaftsbeschreibung fasziniert. Und doch war dieser Mann nie dort, wo seine Bücher spielen. Für mich ein Beweis, man kann auch ohne es selbst erlebt zu haben, packend und spannend schreiben und beschreiben kann.

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