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Textschnipsel Kruento – Der Aufräumer

Ein erster Einblick in meine neues Buch. Ist allerdings noch nicht lektoriert und korrigiert. Bis zur Endfassung kann sich also noch etwas ändern 😉
So beginnt jedenfalls „Kruento – Der Aufräumer“

 

Ein schwarzer Bus mit getönten Scheiben hielt in einer kleinen Seitenstraße in der Nähe des LDC-Towers.
Isada, die auf dem Beifahrersitz saß, umklammerte ihren Laptop fester und kletterte nach hinten. Rico, der Fahrer des Buses, blieb sitzen, während die Vampirin sich zu den zwei Männern setzte. Ihre Mienen zeigten Entschlossenheit. Jeder von ihnen wusste, worum es ging. Sie warteten nur noch darauf, dass auch Isada startklar war. Sie klappte den Computer auf und wartete, bis der 3D-Lageplan des Towers erschien. Angespannt konzentrierte sie sich auf den Bildschirm. Jetzt durfte nichts mehr schiefgehen. Die Technik hatte sie so oft überprüft. Jetzt musste sie einfach funktionieren. Erleichtert atmete Isada auf, als zwei blinkende Punkte aufleuchteten, die sich noch ein ganzes Stück vom Tower entfernt befanden. Um genau zu sein, befanden die Punkte sich genau dort, wo sie sich gerade aufhielten. Isada blickte auf, musterte Rave und Vario, die beide einen Chip bei sich trugen, mit dem sie jeden ihrer Schritte genauestens verfolgen konnte.
„Ihr könnt los.“
Rave und Vario sahen sich an.
„Hast du den Stick?“, fragte Rave.
Vario griff in seine Tasche und zog die wenige Zentimeter große Speicherkarte hervor. Dann verstaute er sie sicher.
„Gehen wir.“ Rave zog die Kapuze seiner Trainingsjacke über den Kopf und stieg aus.
Vario folgte ihm. Die Tür des Buses schlug hinter den beiden Vampiren zu. Isada und Rico blieben allein zurück.
Isada verfolgte auf ihrem Bildschirm, wie sich die zwei Punkte dem LDC-Tower näherten.
Es war still im Bus. Nur das unregelmäßige Trommeln von Ricos Fingern auf dem Lenkrad war zu hören.
„Kannst du bitte damit aufhören?“ Isada war genervt. Das Projekt zu begleiten kostete Konzentration.
Ihre Blicke begegneten sich im Rückspiegel. Die Anspannung stand nicht nur ihr ins Gesicht geschrieben. Rico knurrte, nahm seine Hände jedoch vom Lenkrad.
Isada griff nach dem In-Ear-Monitoring und steckte es sich an. Vario und Rave befanden sich nun direkt vor dem Eingang des Towers.
„Wir betreten jetzt das Gebäude“, hörte sie Rave sagen.
Isada blickte schnell auf die Uhr. Sie befanden sich perfekt im Zeitplan. Es war weit nach Mitternacht, die Straßen und der LDC-Tower ausgestorben. Deshalb fand die Aktion zu dieser unwirtlichen Uhrzeit statt.
„Ich befinde mich im Aufzug“, sagte Vario in diesem Moment.
Isada stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Es lief besser als gedacht. Sie hatten nicht genau gewusst, ob es Vario gelingen würde, mit dem Aufzug nach oben zu fahren. Hätte er die Treppe genommen, hätte das beim Wachpersonal, das sich auch zu später Stunde noch im Gebäude befand, Aufmerksamkeit erregt.
Während sich Varios blinkender Punkt in der 3D-Animation in die Höhe erhob, blieb Raves in der Eingangshalle.
Isada hatte sich vor Ort alles genauestens angesehen. Hinter dem großen Tresen an den zwei Schaltern saßen tagsüber zwei Sicherheitsbeamte, nachts nur einer. Einige Grünpflanzen und ein Zeitungsständer schirmten den Wartebereich ein wenig ab. Und genau dort musste sich Rave in diesem Augenblick aufhalten.
Schier endlos schien es zu dauern, bis Vario das oberste Stockwerk erreichte. Zu Fuß wäre er natürlich deutlich schneller gewesen.
„Ich bin da“, kommentierte Vario und fluchte im nächsten Moment. „Ich brauche einen Zugangscode“, erklärte er.
Isada zoomte den Bereich, in dem Vario sich befand, näher heran. „Das kann nicht sein.“ Fieberhaft suchte sie eine Erklärung für die verschlossene Tür, die nicht eingezeichnet war und die es demzufolge nicht geben dürfte.
„Ich kann den Wachmann befragen?“, schlug Rave vor.
„Nein“, erklärte Isada schnell. Sie wollte nicht, dass das Projekt gefährdet wurde. „In welchem Stockwerk bist du?“
„Im obersten“, antwortete Vario genervt.
„Im wievielten Stockwerk genau?“, wiederholte sie ihre Frage eindringlich. Sie hörte Varios Stöhnen.
„Warte, ich sehe im Aufzug nach.“
Es dauerte etwas. „Siebenundzwanzig“, meinte er dann genervt.
Isada verkleinerte das Bild vor sich, sodass sie das komplette Gebäude betrachten konnte. Sie musste nachdenken – schnell.
Eine Vermutung keimte in ihr auf. Sie zählte noch einmal die Stockwerke und kam wie Vario auf siebenundzwanzig. Entschlossen klappte sie den Laptop zu und schob die Bustür auf.
„Nicht, Isada. Was machst du?“, rief Rico ihr hinterher.
Isada reagierte nicht, sondern schloss geräuschvoll die Bustür. Dann rannte sie auch schon mit dem Computer unter dem Arm in Richtung des Gebäudekomplexes, in dem sich Vario und Rave befanden.
Als der Tower sichtbar wurde, blieb Isada stehen und begann die Stockwerke abermals abzuzählen. Diesmal anhand der Fenster. Sie stutzte und begann noch einmal von Neuem zu zählen. Nun war sie sich ganz sicher.
„Du musst in den achtundzwanzigsten Stock.“
Schweigen.
„Hast du mich verstanden?“, fragte Isada nach.
„Du sagtest, ich soll ganz nach oben fahren, das habe ich gemacht. In diesem Gebäude gibt es kein weiteres Stockwerk.“
„Doch“, beharrte Isada.
Genervt schnaubte Vario. „Ich stehe hier im Aufzug. Es gibt genau siebenundzwanzig Stockwerke, ein Erdgeschoss und zwei Kellergeschosse.“
„Ich stehe hier vor dem Gebäude und habe nachgezählt. Es gibt einen achtundzwanzigsten Stock“, erklärte Isada noch einmal. Die Unruhe in ihr wuchs. Ein Blick auf die Uhr und sie wusste, dass sie dem Zeitplan um acht Minuten hinterher hinkten.
„Versuch es über das Treppenhaus“, schlug Rave vor.
„Okay.“
Isada sah sich um. Sie brauchte einen Platz, an den sie sich ungestört hinsetzen konnte. Die Operation auf öffentlicher Straße zu verfolgen, war nicht unbedingt klug, die Zeit zurück zum Bus zu laufen, reichte ihr jedoch nicht. So blieb ihr nichts anderes übrig, als den Einsatz von hier aus zu überwachen.
Nicht weit entfernt entdeckt Isada ein Steakhouse mit einer großzügigen Terrasse. Das Geschäft hatte längst geschlossen. Die Sonnenschirme waren eingeklappt und die Stühle zusammengestellt. Isada nutzte die Terrassenbegrenzung zum Sitzen. Die Sträucher hinter ihr boten Schutz, dass niemand ihr über die Schulter blicken konnte. Eilig klappte sie den Laptop wieder auf und sah, wie Varios Punkt sich dem Dach näherte. Sie blickte hinauf, konnte von hier unten jedoch nichts sehen.
„Bist du auf dem Dach?“
„Nein. Du hattest recht, es gibt hier noch ein weiteres Stockwerk.“
Erleichtert atmete Isada aus. Wie konnte ihr so etwas während den Vorbereitungen entgangen sein?
„Ich bin jetzt oben. Hier ist eine massive Stahltür mit einem Sicherheitsschloss. Ich brauche eine Chipkarte, um hineinzukommen.“
„Mist!“ Isada lagen noch weit schlimmere Schimpfwörter auf der Zunge, die sie tapfer hinunterschluckte. Ihre Finger bearbeiteten die Tastatur, während sie die gesammelten Dokumente durchsah, um einen Hinweis auf eine Chipkarte oder dergleichen zu bekommen.
„Ich finde einfach nichts.“ Sie klang frustriert. Wenn sie nicht fündig wurde, mussten sie die Operation abbrechen.
„Wie lange braucht die Polizei, bis sie hier sein wird?“, erkundigte sich Vario.
„Denk nicht einmal daran“, entrüstete Isada sich. „Dann wird nicht nur das Wachpersonal mitbekommen, dass etwas nicht stimmt, sondern auch die Ekklesia auf der Matte stehen.“
„Wenn du keinen Weg findest, machen wir es so“, beschloss Vario.
Isada zögerte das Unausweichliche hinaus. Sie wollte nicht klein beigeben, wollte nicht aufgeben. Schließlich gab sie jedoch auf. „Wir brechen ab.“
„Nein!“, verkündeten Vario und Rave gleichzeitig.
„Wenn ich die Tür aufbreche, müsste bei dem Sicherheitstyp der Alarm losgehen. Kannst du dich um ihn kümmern, damit er keine Verstärkung holen kann?“, fragte Vario.
„Aber klar“, entgegnete Rave.
„Das ist zu gefährlich.“ Isada fühlte sich absolut nicht gut dabei. Das, was ihre zwei Freunde da durchziehen wollten, war hirnrissig.
„Isada, wie lange, bis die Polizei da sein wird?“ Vario ließ einfach nicht locker.
Isada schloss kurz die Augen, blickte auf den kaum beleuchteten Tower vor sich und antwortete dann resigniert: „Zehn Minuten.“
Rave fluchte. „Das wird verdammt knapp. Schaffst du das?“
„Kümmere du dich darum, dass der Wachmann niemanden ruft. Alles andere überlass mir. Das wird schon klappen.“
Isada blickte nach links und rechts. Die Straße lag verlassen vor ihnen. Weder ein Fußgänger noch ein Auto waren zu sehen. Dennoch fühlte sie sich unbehaglich.
„Ich habe es gleich“, verkündete Vario.
„Ich auch!“ Rave hörte sich nicht so überzeugt an.
Isada hatte ebenfalls kein gutes Gefühl bei der Sache. Sie zögerte ihre Zustimmung hinaus. Sie hatten geplant, den Stick anzubringen, ohne dass die Polizei – und damit auch die Ekklesia – von ihrem Eindringen erfuhr. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie die ein Zoll große Speicherkarte fanden, war eher gering. Trotzdem hätte sie gerne Aufsehen vermieden.
„Also gut“, stimmte Isada schließlich zögernd zu. „Weißt du, was zu tun ist, wenn du drin bist, Vario?“
„Klar, das haben wir ja schon so oft durchgespielt. Ich bin soweit. Eins, zwei, drei.“
Isada hörte über ihren Ohrstöpsel einen Knall, Tumult brach aus und sie konnte nicht ganz zuordnen, welche Geräusche von wem kamen. Durch den Knopf in ihrem Ohr hörte sie einen Signalton. Im zweiten Stock ging das Licht an.
„Der Wachmann ist bewusstlos und der Alarm abgeschaltet“, erklärte Rave.
Erleichtert atmete Isada kurz durch. „Beeil dich, Vario.“
Sie behielt die Countdown -Uhr stetig im Blick, ebenso Varios blinkenden Punkt, der sich auf ihrem Modell auf dem Dach befand.
„Ich bin drin“, rief Vario.
„Fuck“, brüllte Rave dazwischen.
„Was ist los?“ Aufgeregt rutschte sie auf der Steinmauer hin und her. Am liebsten hätte sie alles stehen und liegen gelassen und wäre in das Gebäude gerannt. Nur, weil ihr die Vernunft einbläute, dass so eine Aktion völlig sinnlos wäre, ließ sie es bleiben.
„Zwei Wachmänner“, keuchte Rave. „Einer davon ein Inimicus.“